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Bergversatzgutachten und angedachtes Grubenwasserhaltungskonzept der RAG aus wasserwirtschaftlicher Sicht des Umweltministeriums
Steinkohlenbergbau und Grubenwasser
Der beabsichtigte Grubenwasseranstieg nach Bergbauende ist mit zahlreichen Risiken verbunden. Die mögliche Beeinträchtigung von Trinkwasservorkommen durch Schadstoffe, Bodenhebungen und Bergschäden sind nur einige davon. Auch die Ableitung von stark mit Chloriden und anderen Stoffen belastetem Grubenwasser in die Oberflächengewässer ohne vorherige Reinigung führt zu Umweltbelastungen.
Trotzdem werden wasserrechtliche Erlaubnisse im Rahmen bergrechtlicher Verfahren noch immer ohne Öffentlichkeitsbeteiligung und Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) erteilt. Auch fehlt es an einer Gesamtbilanz des bisherigen Steinkohlenbergbaus und einer Gesamt-UVP für alle Wasserprovinzen. Dagegen wendet sich die BUND-Landesdelegiertenversammlung 2018 mit einem einstimmig verabschiedeten Antrag.
Das Grubenwasserkonzept der RAG sieht eine Reduktion der Einleitungsstellen von heute 13 auf zukünftig 7 vor. [Grafik: RAG]
4. MÄRZ 2019 HARTWIG BERGER, HOCHSCHULDOZENT UND BUND-MITGLIED
Seit Wochen gibt mir die Mitunterzeichnung des Berichts der Kohlekommission durch Sie, BUND-Vorstand Hubert Weiger und zwei weiteren Akteuren aus Umweltverbänden sehr zu denken. Offen gestanden, kann ich diesen Schritt bis heute nicht nachvollziehen. Ich befürchte vielmehr, dass diese Unterzeichnung ein folgenschwerer Fehler ist. Er ist aus meiner Sicht folgenschwer deshalb, weil er von der Kohlelobby und von denen, für die der Klimaschutz politisch nachgeordnet bleibt, gegen uns ins Feld geführt wird. Schon jetzt wird überall und öffentlich erklärt, dass der Kohlebericht im Konsens mit „den“ Umweltverbänden verabschiedet worden ist und entsprechend bindet.
Ich möchte Ihnen darlegen, warum ich die Mitunterzeichnung nicht inhaltlich nachvollziehen kann:
- Die Kohlekommission wertet ihren Bericht (unter Zustimmung von Ihnen, Hubert Weiger) als einen tragfähigen gesellschaftlichen Konsens, auf den sich alle Beteiligten in den kommenden Jahren verlassen können. Demokratiepolitisch gesehen halte ich das für schlicht anmaßend. Ein gesellschaftlicher Konsens könnte nur als Ergebnis breiter Debatten in der Gesellschaft erreicht werden, nicht durch Aushandlung zwischen wenigen berufenen Personen in einer Kommission.
Die anmaßende Bewertung als „gesellschaftlicher Konsens“ hat aber weitreichende Konsequenzen und öffnet den Raum zu politischen Instrumentalisierungen: Wir werden in den kommenden Jahren immer wieder hören, dass „die“ Umweltverbände (es waren de facto drei nominierte Personen) dem zugestimmt haben. Das wird den Handlungsspielraum der Klimabewegung einschränken, übrigens auch innerhalb des Bundestags und der Länderparlamente - Es wird im Bericht behauptet, dass die Vereinbarungen zur Beendigung der Kohleverstromung beispielgebend für andere Länder sei. Aus meiner Sicht ist eher das Gegenteil der Fall: Überall wird man jetzt darauf hinweisen können, dass im wirtschaftsstarken Deutschland 45 Milliarden Euro als zentralstaatliche Subventionen in betroffene Kohleregionen geleitet und zudem Kohlestrom-Unternehmen finanziell entschädigt werden. Welches ärmeres Land kann sich das leisten? Polen, die Slowakei, Tschechien, Griechenland, Serbien oder Bosnien, um nur europäische Beispiele zu nennen? Die Kohlelobby dort wird argumentieren, dass ein – zudem auf 20 Jahre gestreckter – Ausstieg nach deutschem Modell eben nicht möglich ist.
- Die Erklärung, dass laut Bericht bis 2022 insgesamt 12,7 Gigawatt (GW) an Kohlestrom abgeschaltet werden sollen, stellt sich bei genauerer Lektüre selbst als Beschönigung dar. Auch dort wird dargelegt, dass die 42,6 GW Kohlestrom (Stand Ende 2017) bis Ende 2022 umstandsbedingt und ohne äußere Einwirkung auf voraussichtlich 37,7 GW sinken werden. Sollte „Datteln“ doch ans Netz gehen: auf 40,3 GW. Die mit der Unterschrift der Vertreter der Umweltverbände erreichte Reduzierung betrüge also (ohne Datteln) knapp 8 GW, davon maximal 3 GW Braunkohle. Das ist ziemlich genau der Umfang, den die Verhandlungskommission von Bündnis 90/Die Grünen in den „Jamaika“-Koalitionsverhandlungen bis zum Jahr 2020 erreicht hatte (nachträglich gesehen scheint es klimapolitisch kein Wunder, dass die FDP in letzter Sekunde absprang).
- Die Kohlekommission erwartet (sic!) ausdrücklich, dass Rechtsänderungen des Umwelt- und Planungsrechts das erzielte Ergebnis nicht gefährden. Es geht dabei um die neue EU-Richtlinie zu Emissionsgrenzwerten insbesondere zu Stickoxiden und zu Quecksilber, die Deutschland übrigens bis Ende 2018 hätte umsetzen müssen. Die EU gibt Bandbreiten der Minderung vor. Wenn sie in Deutschland für Stickoxide übernommen würden, könnten nur noch vier Braunkohlekraftwerke weiter am Netz bleiben; die Nachrüstung der Steinkohlekraftwerke wäre voraussichtlich unwirtschaftlich, was so sicher auch zu vorzeitigen Abschaltungen führen muss. Dass die Kohlelobby sich gegen ein anspruchsvolleres Umwelt- und Planungsrecht sperrt, ist ja durchaus nachvollziehbar. Aber die Umweltvertreter mussten doch die Erwartung der Kohlekommission, die Grenzwerte auf jeden Fall nicht zu verschärfen, nicht mittragen! Jetzt wird es geradezu unmöglich, überhaupt noch eine Verschärfung der Emissionsgrenzwerte in Deutschland einzufordern. Die Gegenseite wird sich für ihr „nein“ auf die Zustimmung in der Kohlekommission berufen können – und sie wird das mit Sicherheit auch tun.
- Das gesetzte Enddatum 2038 für die Kohleverbrennung ist, da sind wir uns ja einig, aus Klimasicht weitaus zu spät. Hinzu kommt, dass 2030 laut Kommissionsbericht noch 17 Gigawatt am Netz sein sollen (also C02-Emissionen pro Jahr im hohen fünfstelligen Bereich). Des Weiteren können die vereinbarten Überprüfungen 2023 und 2026, je nach Machtkonstellationen, auch dazu führen, dass mehr Kohle am Netz bleibt, die 17 für 2030 zugestandenen Gigawatt Leistung also noch übertroffen werden.
Die Umweltvertreter schreiben in ihrem Kommentar zwar zutreffend, dass auch sie das Datum für zu spät erachten. Sie haben sich jedoch mit dem Kommissions-Bericht, einer Handhabe dagegen begeben. Ein deutlich früheres Enddatum kann nur im offenen Widerspruch zur jetzigen Zustimmung eingefordert werden. Denn, so der Bericht: erst im Jahr 2032 soll befunden werden, ob das Ende auf 2035 vorgezogen werden „kann“ – also klar zu spät!
Eine Werbung für einen Kohleausstieg in anderen Ländern ist das keinesfalls. Man wird dort mit Blick auf Deutschland geltend machen können, dass Deutschland, dass die potenteste Wirtschaftsmacht sich 20 weitere Jahre Zeit zugestanden hat.
Dass das Abschlussdatum – immerhin! – 2026 und 2029 durch ein „unabhängiges Expertengremium geprüft und „gegebenenfalls angepasst werden“ kann, scheint ein gewisser Rettungsanker und Hoffnungsschimmer zu sein; doch auch hier sind mit umfangreichen Faktoren, die zu berücksichtigen seinen, starke Bremsen eingebaut, ich zitiere S.64:
Das Abschlussdatum wird „hinsichtlich der Auswirkungen auf die Erreichung der Klimaziele, der Entwicklung der Strompreise und der Versorgungssicherheit, der Beschäftigung, der strukturpolitischen Ziele und der realisierten strukturpolitischen Maßnahmen sowie der regionalen Wertschöpfung“ überprüft. Klimaschutz steht hier unter „ferner liefen“.
Schließlich und kurz: Der Erhalt des Hambacher Forst sei „wünschenswert“; die Einführung einer CO2-Bepreisung möge „geprüft“ werden. So unverbindlich formuliert ist das in der Politik von geringem Wert. Was „Hambach“ betrifft, scheint es ja schon jetzt von RWE und der NRW-Regierung ignoriert zu werden.
Ich bin seit den 1980er Jahren Mitglied des BUND und seit nunmehr 40 Jahren in vielen Feldern der Umweltbewegung aktiv, gegen die fortschreitende Deregulierung des Klimas setze ich mich seit mehr als 30 Jahren in den verschiedensten Zusammenhängen ein.
Diesen Text schickte Hartwig Berger in einem offenen Brief an Hubert Weiger und die weiteren BUND-Vorstandsmitglieder.
Online im Internet unter: https://www.pv-magazine.de/2019/03/04/warum-die-unterzeichnung-des-kohlekompromisses-durch-umweltverbaende-ein-fehler-ist/ (Stand: 06.03.2019)